Selbstverständnis

Das Selbstverständnis des Aachener Kompetenzzentrums für Wissenschaftsgeschichte (AKWG)

Grundsätzlich gibt es zwei Definitionen von Wissenschaftsgeschichte:

– In einem engeren Verständnis als Science wird darunter die Geschichte der Na­turwissenschaft, der Technik und der Medizin begriffen, von Disziplinen, die sich mit der nicht-geistigen „Objektwelt“ auseinandersetzen.

– In einem weiteren Sinne wird Wissenschaftsgeschichte verstanden als die Ge­schichte der spezifischen Art und Weise der überprüfbaren Auseinander­setzung mit der Welt, unter Einschluss des Menschen als geistiges Wesen. In dieser Konzeption ist der Mensch selbst Gegenstand wissenschaftlicher Re­flexion. Das Besondere an den Geistes- und Sozialwissenschaften ist die Selbstreflexivität von Wissen, denn die Ergebnisse der Wissenschaft verän­dern die Welt des Menschen. Diese zweite Definition favorisieren wir – als spezifischen Beitrag Aachens zur aktuellen wissenschaftsgeschichtlichen Dis­kussion.

Die Geschichte der Wissenschaft beginnt als Geschichte der Geisteswissenschaft (Philosophie, Mathematik, Geographie). Moderne Naturwissenschaften dagegen, mit Ausnahme der Astronomie, bilden sich erst mit der Renaissance und der wissen­schaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts heraus. Eine breitere Definition der Wissenschaftsgeschichte, wie oben befürwortet, kann daher als Legitimation auf den Ursprung verweisen. Der Anspruch auf die Einheit der Wissenschaften soll demnach das Kennzeichen des Aachener Kompetenzzentrums Wissenschaftsgeschichte sein.

Moderne Gesellschaften begreifen sich selbst als Wissensgesellschaften, und zwar nicht nur im Sinne einer bloßen Vermehrung des Wissens, sondern im Sinne eines wissenschaftlich fundierten Zugangs zu Wissen. Wissenschaft sichert die Verläss­lichkeit von Wissen und ist die nicht hintergehbare Basis für gesellschaftliche Innova­tion.

Wissenschaftsgeschichte thematisiert die Herausbildung spezifischer Wissenskultu­ren, die a) die Moderne in besonderer Weise prägen und b) nach gesellschaftlichen und institutionellen Kontexten variieren. Was wir deshalb bewusst nicht anstreben, ist eine Wissenschaftsgeschichte als isolierte Geschichte wissenschaftlicher Erfindun­gen oder eine Disziplingeschichte im engeren Sinne. Uns geht es um die Wechsel­wirkungen von Wissenschaft, Kultur, Gesellschaft und Politik, konkret:

– um die Klärung sozialer und kultureller Bedingungen für die Entstehung von Wis­senschaft,

– um Wissenschaft als soziale Organisation,

– um gesellschaftliche Zuschreibungen der Leistungen von Wissenschaft für die Gesellschaft (Erwartungen an Wissenschaft und Vertrauen auf Wissenschaft),

– um die Aneignungen der von den Wissenschaften bereitgestellten Denkfiguren und Artefakte in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

Im Sinne einer notwendigen Beschränkung des Erklärungsanspruchs und zugleich einer schärferen Konturierung der Leistungsfähigkeit von Wissenschaft bedarf es einer Selbstreflexion auf Genese und Reichweite wissenschaftlicher Aussagen. Die­ses leistet das AKWG, indem es kulturelle, soziale, wirtschaftliche und politische Kontexte von Wissenschaft in die Diskussion einbringt, den Ort der Wissenschaft in der jeweiligen Gesellschaft beschreibt und Wissenschaft als produktive Auseinander­setzung mit der Umwelt erfahrbar macht.

Zur Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit:

In den letzten Jahren sind die Fächergrenzen, die sich über einen langen Zeitraum herausgebildet haben, weggefallen; fruchtbare Fragestellungen werden interdiszipli­när angegangen. Das AKWG mit seinem ganzheitlichen Anspruch reagiert darauf: Die Überschreitung der Fächergrenzen erfordert neue Formen der Zusammenarbeit. In diesem Sinne führt das AKWG Forschungskompetenzen zur Etablierung von For­schergruppen und Graduiertenkollegs zusammen – organisatorisch und in Drittmit­telanträgen, es berät bei der Entwicklung von Einzelanträgen (Stipendien, Graduier­tenförderung) und es versteht sich als Vermittler von Forschungskompetenz an die Öffentlichkeit.