10. AKWG-Tag der Wissenschaftsgeschichte [2016]

Die Geschichte des Geschichtsstudiums nach 1945 ist für die Geschichtswissenschaft ein „schwarzes Loch“: unsichtbar, gleichwohl existent; hoch komplex, doch grundsätzlich der Wissenschaft zugänglich; sich selbst genug, indes von unbestreitbarem Einfluss auf die Gegenwart.

Mit dem kulturwissenschaftlichen „Turn“ wurde Geschichtswissenschaft mehr noch als zuvor reflexiv. Sie wendet heute das historische Fragen und die geschichtswissenschaftliche Methodik auf sich selbst an, untersucht Pfadabhängigkeiten und beschreibt Kontexte des geschichtswissenschaftlichen Forschens und Schreibens. Das hat die Geschichtstheorie ebenso befördert wie die Historiographie Geschichte oder die Erinnerungsgeschichte. Am wenigsten hat noch die Geschichte des Geschichtsstudiums breite Aufmerksamkeit gefunden, obwohl in den letzten Jahren Institutionalisierung und Professionalisierung des modernen Geschichtsstudiums während des langen 19. Jahrhunderts mehrfach klug und aufschlussreich beschrieben wurden. (Erwähnt seien die Arbeiten von Gabriele Lingelbach, Matthias Middell, Andreas Gestrich, Markus Huttner, Daniela Saxer, …).

Freilich, umfangreichere Untersuchungen zum Studium der Geschichtswissenschaft nach 1945 fehlen. Das hat gute Gründe. So wird es noch einige Zeit dauern, bis private Quellen zum Thema einzusehen sind (Briefe, Tagebücher, Mitschriften, Vorlesungsskripte, Seminarkonzepte, E-Mails…). Dazu kommt, dass angesichts der Vielfalt an Themen, denen die Zeitgeschichte sich stellen muss, angesichts der welthistorischen Umbrüche von 1945, 1956/57, 1973/74, 1989, 2007/09 der historischen Praxis des Geschichtsstudiums nur eine vergleichsweise geringe gesellschaftliche Relevanz zugemessen wird.

Doch die Geschichte des Geschichtsstudiums ist wichtig! Geschichtswissenschaft muss Auskunft darüber geben, was sie in der Vergangenheit in der Lehre geleistet hat, wie sie sich immer wieder neu den gesellschaftlichen Herausforderungen gestellt hat und warum das Studium der Geschichtswissenschaft nicht nur klug für die Gegenwart, sondern auch geschickt für die Zukunft macht.

Die nächste Tagung des Aachener Kompetenzzentrums für Wissenschaftsgeschichte am 1. Dezember 2017 soll daher als Thema die Geschichte des Geschichtsstudiums nach 1945 behandeln.

In einem ersten Abschnitt wird die Historie, Funktion und das didaktischen Konzept geschichtswissenschaftlicher Vorlesungen betrachtet werden. Der zweite, größere Teil thematisiert die „Erfahrungs- und lebensweltlichen Deutungsgeschichten“ des Geschichtsstudiums.

Eine Besonderheit der Zeitgeschichte liegt darin, dass sie ihre Quellen selbst zu erzeugen vermag. So werden HistorikerInnen der RWTH (die älteren und die jüngeren, die MitarbeiterInnen, auch die Studierenden) über ihr Geschichtsstudium aus ihrer je eigenen Sicht berichten.

Als Zeitzeugen werden die RWTH-Historiker intervenieren. Die Schulerfahrung interessiert (differierend nach Bundesland, nach Zeitraum des Schulbesuchs, …), die Studienwahl, die Stationen des Studiums, die Erkenntnisse während der Promotion. So entstehen historische Bilder vom Geschichtsstudium der 1950er Jahren bis heute.

Programm

09.30 Uhr
Eintreffen der Teilnehmenden

9:50 Uhr
Dominik Groß (Aachen): Das AKWG und seine Aktivitäten

10:00 Uhr
Armin Heinen (Aachen): Gesamteinführung: Die Geschichte des Geschichtsstudiums nach 1945

10:15 Uhr
Christine Roll (Aachen): Einführung: Die Vorlesung in der Geschichtswissenschaft. Geschichte und Konzept

10.30-11.35 Uhr Sektion I: Moderation durch Christine Rolle (Aachen)
Pieter Caljé (Maastricht): Lectures in the PBL-learning environment at the Faculty of Arts and Social Sciences of Maastricht University

Armin Heinen (Aachen): Die Geschichte der (Geschichts-) Vorlesung als Geschichte von Wissenskulturen. Über die historische Genese unterschiedlicher Vorlesungstypen
Ines Soldwisch (Aachen), Harald Müller (Aachen): Vom Vorlesen zum digitalen Zauberkasten? Vorlesungsstile und Medialität

11.35 Uhr Diskussion

12.00 Uhr Mittagspause

13.45-15:35 Sektion II: Moderation durch Ines Soldwisch (Aachen)

Klaus Schwabe (Aachen): Im Umbruch der 50er Jahre: Vom Zwiespalt zwischen universitärer Tradition, lebensweltlichem Orientierungsinteresse und steigender Bildungsnachfrage

Dieter Lohrmann (Aachen): Geschichtsstudium 1957-1962 in Freiburg/Breisgau

Max Kerner (Aachen): Mein Weg zur Geschichte. Erinnerungen an den Kölner Studienbeginn vor gut einem halben Jahrhundert

Karl Leo Noethlichs (Aachen):

Generation „Übergang“: Zwischen Kriegsfolgen und Neuorientierung

Armin Heinen (Aachen): Generation Humboldt: Zukunftsgewissheit, spielerische Freiheit und erste Zweifel. Das kleine Fach „Geschichtswissenschaft“ als Heimat

Paul Thomes (Aachen): Die Vorlesung als Sozialisationsraum: Geschichte und sich selbst erfahren

15.15 Uhr Diskussion

15.35 Uhr Kaffeepause

15.50-17.50 Uhr Sektion III: Moderation durch Ines Soldwisch (Aachen)

Christine Roll (Aachen): „Ein wenig aus der Zeit gefallen – sorgloses Geschichtsstudium im Konstanz der 1980er Jahre“

Dominik Groß (Aachen): „Berufswunsch Medizinhistoriker? Da bin ich leider überfragt…“ Von den Hürden eines Parallelstudiums an der Philosophischen und Medizinischen Fakultät in den 1980er Jahren

Klaus Freitag (Aachen): Das Geschichtsstudium im Zeichen der Wiedervereinigung Deutschlands: Die 90er Jahre

Florian Hartmann (Aachen): Freiheit bis zur letzten Prüfung und Zwang zur Selbstprofilierung

Sascha Penshorn (Aachen): Das Ende einer Lebensform. Geschichtsstudium in der letzten Generation vor Bologna

Angelina Pils (Aachen): Generation Zauberlehrling? Goethe, Harry Potter und Bologna

Alina Cohnen (Aachen): Begrenzung von Flexibilität und Spezialisierung durch das enge Korsett der Studienordnung

17:35 Uhr Diskussion

17:50 Uhr Abschlussdiskussion: Moderation Armin Heinen (Aachen)

Ende der Veranstaltung

Tagungsprogramm [PDF]